Bei der Kündigung eines Mitarbeitenden stellt sich oftmals die Frage, ob dieser aktiv auf seine Kunden zugehen darf, um diese zu einem Wechsel zu seinem neuen Arbeitgeber zu motivieren.
Auch im Falle einer Selbständigkeit hat der Mitarbeitende oft ein grosses Interesse, den ihm bekannten Kundenkreis mitzunehmen. In diesem Beitrag zeigen wir, wo die gesetzlichen Schranken liegen und welche Vorkehrungen ein Arbeitgeber treffen kann, um eine Kundenabwerbung bei einem Austritt eines Mitarbeitenden zu verhindern.
Von RA Patrik Howald und MLaw Eva Lindenmann
Gründe für Kundenabwerbung
Neue Kunden bringen einem Arbeitgeber zusätzlichen Umsatz. Die Mitarbeitenden kennen die Kunden ihres Arbeitgebers, sie kennen ihre Bedürfnisse, ihnen sind Geschäftsgeheimnisse bekannt, sie wissen zu welchen Konditionen Verträge abgeschlossen werden und sie haben Zugang zu wichtigen Informationen, wie z.B. der Zahlungsmoral der Kunden.
Ein neuer Arbeitgeber kann somit von Anbeginn vom neuen Mitarbeitenden profitieren und sein Wissen für eigene Zwecke ausnützen. Demzufolge haben viele Arbeitgeber ein Interesse daran, dass neu eintretende Mitarbeitende Kunden ihres alten Arbeitgebers mitbringen.
Für einen Stellenbewerber kann es ferner im Bewerbungsprozess von Vorteil sein, wenn der potenzielle Arbeitgeber damit rechnen darf, dass er neue Kunden durch Einstellung des Bewerbers gewinnen wird.
Gelegentlich werden sogar Prämien für neue Kunden offeriert. Falls der Arbeitsvertrag eine Umsatzbeteiligung des neu eintretenden Mitarbeitenden vorsieht, profitiert dieser direkt vom Kundenstamm, den er bei seinem neuen Arbeitgeber unterbringen kann.
Demgegenüber möchten Arbeitgeber verhindern, dass austretende Mitarbeiter Kunden mitnehmen.
Begriff der Abwerbung
Nach einer gängigen Definition stellt die Kundenabwerbung eine Einflussnahme auf einen vertraglich gebundenen Dritten mit dem Zweck dar, diesen zur Beendigung seines bestehenden Vertrags und zum Abschluss eines neuen Vertrags mit dem Abwerbenden oder einem Dritten zu motivieren.
Oder mit anderen Worten: Jedes Bemühen eines Mitarbeitenden zur Abwerbung von Kunden für sein eigenes oder ein anderes Unternehmen stellt eine Kundenabwerbung dar.
Gesetzliche Grundlage
Während des Arbeitsverhältnisses unterliegt der Mitarbeitende gestützt auf Art. 321a OR einer Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Diese Treuepflicht dauert bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Daraus ergibt sich gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine Pflicht, alles zu unterlassen, was den Arbeitgeber wirtschaftlich schädigen könnte.
Als Folge hieraus erkennt das Bundesgericht während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein striktes Abwerbungsverbot.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht eine Geheimhaltungspflicht, welche sich auf die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse bezieht. Das bedeutet, dass ein Mitarbeitender auch in diesem Zeitpunkt keinen Gebrauch von Kundenlisten machen darf und zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
Diese Pflicht fällt dahin, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des früheren Arbeitgebers, z.B. infolge Geschäftsaufgabe, nicht mehr notwendig erscheint. Neben dem Obligationenrecht findet auch das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) Anwendung. So handelt gemäss Art. 4 lit. a UWG unlauter, wer Abnehmer zum Vertragsbruch verleitet, um selbst mit ihnen einen Vertrag abzuschliessen. Ein solches Verhalten kann neben zivilrechtlichen auch strafrechtliche Folgen haben und wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe sanktioniert.
Schliesslich ist zu beachten, dass auch das Strafrecht entsprechende Bedingungen kennt. So macht sich ein Mitarbeitender gemäss Art. 162 StGB strafbar, wenn er ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis verrät, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte oder den Verrat für sich oder einen anderen ausnützt.
Auch ein Anwendungsfall einer ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 StGB kann im Einzelfall vorliegen.
Schliesslich stellt auch das Bankengesetz die Verletzung des Bankkundengeheimnisses in Art. 47 BankG unter Strafe.
Vertragliche Grundlage
Neben den gesetzlichen Bestimmungen kann ein Abwerbungsverbot nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch vertraglich konkretisiert werden. In der Praxis stellen sich häufig folgende Fragen:
1. Darf ein Mitarbeitender seine Kunden informieren, dass er einer neuen Tätigkeit nachgehen wird?
Dies ist in Lehre und Rechtsprechung umstritten. Jedenfalls darf der Mitarbeitende nur diejenigen Kunden informieren, welche er selbst und persönlich betreut. Als problematisch erweist sich vor allem die Nennung des neuen Arbeitgebers, wenn es sich dabei um ein Konkurrenzunternehmen handelt.
Gemäss einem Urteil des Arbeitsgerichts Zürich soll eine Nennung dann erlaubt sein, wenn der Kunde selbst danach fragt.
2. Ändert sich die Rechtslage, wenn der Arbeitgeber die Kündigung ausspricht?
Nach einer ausgesprochenen Kündigung befindet sich der Mitarbeitende immer noch im Arbeitsverhältnis und ist somit an die gesetzliche Treuepflicht gebunden.
3. Gibt es Ausnahmen, wenn der Mitarbeitende die Kunden selbst dem Arbeitgeber eingebracht hat und dabei eine persönliche Bindung zu den Kunden besteht?
Wenn zwischen dem Mitarbeitenden und dem Kunden eine private oder freundschaftliche Beziehung besteht, steht diese im Vordergrund. Der Mitarbeitende kann sich im Rahmen einer Interessenabwägung auf sein überwiegendes Eigeninteresse berufen.
4. Welche vertraglichen Klauseln über Abwerbung von Kunden sind zulässig?
Bei der in Art. 321a OR genannten Treuepflicht handelt es sich um dispositives Recht, welches in einem Vertrag konkretisiert und eventuell mit einer Konventionalstrafe erweitert werden darf. Die vertraglichen Schranken finden sich im Persönlichkeitsschutz und in den Persönlichkeitsrechten des Mitarbeitenden.
Es empfiehlt sich, eine Kundenschutzklausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, die ergänzend festhält, dass keine Kundenakten mit nach Hause genommen werden dürfen und die Kundenlisten nur im Rahmen der Arbeitsleistung zu benützen sind.
Beispiele möglicher Kundenschutzklauseln:
- Der Mitarbeitende untersteht während eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einem nachvertraglichen Kundenabwerbungsverbot, soweit dieses zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist.
- Der Mitarbeiter darf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses während eines Jahres nicht für die Kunden tätig sein.
- Im Falle einer Verletzung der Kundenschutzklausel wird eine Konventionalstrafe von CHF 100 000.– geschuldet. Des Weiteren hat der Mitarbeitende dem Arbeitgeber einen darüber hinausgehenden Schaden zu ersetzen. Durch die Bezahlung der Konventionalstrafe und des weiteren Schadens wird der Mitarbeitende vom Kundenabwerbungsverbot nicht befreit.
5. Darf der Arbeitgeber einem Mitarbeitenden fristlos kündigen, wenn er herausfindet, dass dieser Kunden abwirbt?
Für das gerechtfertigte Aussprechen einer fristlosen Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen. Ob ein solcher besteht, entscheidet im Streitfall das Gericht.
Liegt kein wichtiger Grund vor, muss der Arbeitgeber ersetzen, was der Mitarbeitende verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendigt worden wäre.
Zusätzlich riskiert der Arbeitgeber, dass er dem Mitarbeitenden eine Entschädigung von bis zu sechs Monatssalären bezahlen muss. Um dieses Risiko zu vermeiden, werden Mitarbeitende bei ordentlicher Kündigung oftmals freigestellt.
Zusätzlich wird ihnen der Kontakt zu den Kunden untersagt und ihr Computer, das Mobiltelefon sowie Kundenlisten etc. eingezogen.
6. Was kann der Arbeitgeber präventiv tun, damit es zu keiner Abwerbung von Kunden nach einer Kündigung kommt?
Neben der obenerwähnten Freistellung kann der Arbeitgeber Mitarbeitenden, welche Einsicht in Kundendaten haben, die Weisung erteilen, dass nur der Arbeitgeber die Kunden über den Ausstritt des Mitarbeitenden informiert.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Mitarbeitende gestützt auf die gesetzliche Treuepflicht von Art. 321a OR einem Kundenabwerbungsverbot unterliegt, welches im Rahmen der vertraglichen Schranken konkretisiert werden kann.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht eine Geheimhaltungspflicht, welche sich auf die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse bezieht.
Eine Verletzung des Kundenabwerbungsverbots kann neben zivilrechtlichen auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.